Manchmal klingt die Idee verlockend, man bewirbt sich risikolos anonym, zockt vielleicht sogar mit einem viel zu hohen Gehalt und wenn es scheitert weiß niemand, dass du es warst. Gerade in begehrten Branchen wie den Kanzleien, Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kommt es relativ selten vor, dass Bewerber arbeitslos sind. Die meisten Bewerbungen werden aus bestehenden Festanstellungen heraus verschickt.
Warum möchten Bewerber überhaupt anonym Bewerbungen verschicken?
Auf einer Makro-Ebene haben sich natürlich bereits Personal-Forscher mit diesem Thema beschäftigt, die menschliche Bewertung sowie Stereotype und Vorurteile haben einen großen Einfluss auf die Art der rekrutierten Bewerber. Eine anonyme Bewerbung schließt so eine Diskriminierung vorab aus – bringt einen Kandidaten aber letztlich auch nicht weiter. Dann wird er eben eingeladen und nach der ersten Runde persönlich aussortiert. Das ist die akademische Herangehensweise an das Problem aus der Makro-Ebene. Ganz anders sieht das Problem auf der Mikro-Ebene aus, also warum wünschen sich Bewerber (“ihr”) eine anonyme Bewerbung? Die Überlegungen hierbei sind ganz einfach, zum Teil sind die Sorgen aber unbegründet. Die größte Sorge ist tatsächlich, dass eine reguläre Bewerbung nicht mit der nötigen Diskretion behandelt wird.
Die Sorge ist nicht ganz unbegründet, in der Praxis gab es schon mehrere solcher Fälle (es ist dadurch trotzdem nicht die Regel sondern die Ausnahme). Ein Bewerber hat einmal erzählt, dass auf einmal sehr viele Profilbesuche von Mitarbeitern des Unternehmens passiert sind, ein klares Indiz für eine intern zirkulierende Bewerbung. Das sollte natürlich nicht geschehen, im Idealfall wirft nur der betreffende Partner und HR einen Blick auf die Unterlagen. Es kann jedoch auch sein, dass ein Partner einmal mehr plaudert als er sollte. Die Branche ist relativ klein, oft wird auch auf gemeinsamen Projekten gearbeitet oder man kennt sich vom Golfen. Ich habe schon davon gehört, dass Partner A sich bei Partner B aus einer anderen Kanzlei über eine Bewerberin erkundigt hat, das kommt jedoch wirklich selten vor. Eine anonyme Bewerbung bringt euch nicht wirklich weiter, weil ihr früher oder später ins Licht treten und euch vorstellen müsst.
Sind anonyme Bewerbungen wirklich anonym?
In der Praxis sind anonyme Bewerbungen äußerst selten und auch nur bedingt anonym. Die Rechtsanwaltskammern zum Beispiel haben eine Jobbörse, in der fast nur anonym inseriert wird von Frau X. mit der Mail-Adressen, die nur zu diesem Zweck geschaffen wurden. Man kann diesen Prozess natürlich auch übertragen, erstellt sich einen Lebenslauf ohne Namen und Arbeitgeber und eine extra anonyme Bewerbungs-Mail-Adresse. Damit schickt man dann seinen CV an interessante Arbeitgeber und wird vermutlich sofort aussortiert. Warum? Dieses Vorgehen ist in Deutschland äußerst unüblich und alles was anders ist, wird per se kritisch beäugt.
Wie sehen Arbeitgeber anonyme Bewerbungen?
Grundsätzlich gilt, auch Branchenübergreifend: Je größer der Fachkräftemangel, desto eher sind Arbeitgeber bereit, die Spielchen der Bewerber mitzuspielen (mehr notgedrungen als gerne). Wir können nicht für alle Arbeitgeber sprechen, aber ein Großteil nimmt diese Bewerbungen nicht wirklich ernst und belächelt sie (verfolgt sie dennoch wenn der Inhalt gut ist). Oft ist es viel Tam Tam obwohl dahinter nur eine einfache Mitarbeiterin steckt statt ein Doppelagent im Zeugenschutz der CIA. Spätestens jedoch wenn es zu einer Einladung zum Vorstellungsgespräch kommt und der Bewerber immer noch anonym bleiben möchte reißt bei den meisten der Geduldsfaden. Zum ersten abprüfen von Interesse mag eine anonyme Bewerbung taugen, für mehr jedoch nicht.
Wie kann man sich anonym bewerben?
Die Rechtsanwaltskammern haben auf ihrer Seite eine Jobbörse, andere Berufsorganisationen wie Steuerberater oder Unternehmensberater haben dies nicht. Eine Möglichkeit wäre es sich über einen Personalberater zu bewerben, der das Profil vorher ausreichend anonymisiert. Dieses Vorgehen ist auch üblich und von nahezu allen Professional Services Firms akzeptiert. Das fußt jedoch auf der Prämisse, dass es sich auch um einen guten Berater handelt. Viel zu oft habe ich leider gehört, dass Berater die Wünsche der Kandidaten ignorieren und am Ende machen, was sie wollen. Hierzu kann ich nur den Headhunter Guide empfehlen.
Fazit
Anonyme Bewerbungen sind in Deutschland unüblich. Sie helfen nur in der ersten Runde vor dem Gespräch, danach ist die Anonymität sowieso dahin. Wer Böses vorhat oder Neugierig ist kann auch Interesse bekunden und euch danach absagen. Vollständige Sicherheit gibt es nie, übertriebene Angst ist unangebracht. Wenn du so viel Angst vor den negativen Konsequenzen bei deinem Arbeitgeber hast ist es sowieso Zeit für einen neuen Job und zwar schleunigst.

