Boutiquen

Boutiquen werden in Anlehnung an Modeboutiquen so genannt – denn sie sind klein, exklusiv und teuer (also hochpreisige Beratung). Der Begriff Boutique wird meistens bei Kanzleien angewendet, es gibt jedoch auch Consulting- oder Steuerboutiquen. Im Assistenzberuf streben viele nach sehr großen, sehr bekannten und sehr internationalen Namen im Lebenslauf und verkennen dabei die Boutiquen. Um das Ansehen der Boutiquen aufzuarbeiten, müssen wir uns zuerst die dahinterliegenden Strukturen ansehen. Eine echte Boutique wird immer von angesehenen Beratern gegründet und entsteht nicht auf der grünen Wiese nach dem Studium. Die entsprechenden Berater, meist Rechtsanwälte, Steuerberater oder Unternehmensberater haben sich bei einer sehr renommierten Gesellschaft im Markt einen Namen gemacht und beschließen sich (oft mit einem Team) selbstständig zu machen. Man spricht hier von einem sogenannten Spin Off.

Die Mandanten folgen den Beratern meist, da sie die Beratungsqualität schätzen gelernt haben. Die Dienstleistung kann zudem meist günstiger angeboten werden, da riesige Büros, Fachabteilungen und internationale Muttergesellschaften nicht mehr finanziert werden müssen. Die Boutiquen bieten somit High End Beratung von hochqualifizierten Partnern, sind aber oft Underdogs und bei Branchenoutsidern nicht bekannt – weshalb sich viele gehobene Assistentinnen nicht bei solch kleinen Unternehmen bewerben wollen.

Kerngeschäft

Boutiquen sind in ihrer Ausrichtung meist sehr fokussiert und bieten nur wenige, akzentuierte Beratungsleistungen an. Typisch ist die genaue Ausrichtung auf einen Sektor (z.B. Unternehmen aus der Energiewirtschaft), auf eine bestimmte Beratungsleistung (nur zum Thema Arbeitsrecht) oder auf eine häufig nachgefragte Dienstleistung wie Unternehmenstransaktionen (damit verbundene allgemeine Beratung, steuerliche Gestaltung, Gesellschaftsrecht). Boutiquen bieten sehr selten breit gefächerte Dienstleistungen an, da ihr Geschäftsmodell die vollständige Durchdringung eines Bereiches bei (meist) besserer Kostenstruktur ist.

Einsatz und Aufgaben der Assistenz

Anders als bei Großkanzleien oder großen Steuer- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind Assistentinnen hier viel stärkere Allrounder und Generalisten. Es gibt keine zahlreichen Hierarchieebenen zu durchdringen, individuelle Absprachen werden mit dem Partner oft in der Kaffeküche getroffen. Lange Bearbeitungsdauern durch Ticketing-Systeme gibt es nicht, da es auch keine institutionalisierte Aufbauorganisation gibt. Die Assistentinnen arbeiten meist dort mit, wo es gerade Bedarf gibt, Silo-Denken und Abschottungen der Geschäftsbereiche sind selten – zumal aufgrund der spezifischen Ausrichtungen der Boutiquen die Berater sowieso an ähnlichen Aufgaben arbeiten. Hier besteht für Assistentinnen die Chance Zusatzaufgaben zu übernehmen, denn auch Boutiquen haben Aufgabenstellungen im Bereich Marketing und Personalwesen zu bewältigen. Oft werden externe Agenturen beauftragt, wer sich intern hervortun möchte hat hier glänzende Entwicklungsmöglichkeiten – zumal es leichter ist hier zu glänzen, da man nicht zwischen vielen Kolleginnen hervorstechen muss.

Größe, Lage und Verteilung in Deutschland

Eine typische Boutique-Größe gibt es nicht, betrachtet man bestehende Marktteilnehmer kann man aber Richtwerte ableiten. Eine Boutique hat zwischen 1 und 3 Standorten in Deutschland und ist nicht die Niederlassung einer großen, internationalen Beratungsgesellschaft. An einem Standorten arbeiten zwischen 5 und 30 Berater, mit etwa ähnlich vielen Support-Kräften. Die Grenzen sind wie gesagt fließend, Boutiquen passen in keine Schablone. Fast immer sind Boutiquen Ausgründungen aus sehr bekannten Beratungsunternehmen und deshalb auch überdurchschnittlich oft in den Wirtschaftsmetropolen Frankfurt, München, Hamburg, Düsseldorf oder Berlin vertreten. Oft entsteht die Veränderungsmotivation der Partner aber auch aus den Fahrtwegen und Pendelzeiten ins Büro, weshalb sie die Spin Offs an ihren Wohnort wie Mainz oder Essen verlegen – hier lässt sich jedoch kein Muster ableiten, das ist tatsächlich immer Zufall.

Entwicklungsmöglichkeiten

Aufgrund der kleinen Aufbauorganisation gibt es meist keine Fachabteilungen für Recruiting oder Accounting. Boutiquen versuchen deshalb oft, diese Aufgabenbereiche im Sekretariat abzubilden, denn viele Assistentinnen wünschen sich breit gefächerte Tätigkeitsprofile. Es gibt somit die Möglichkeit neue Aufgaben auszuprobieren, jedoch selten die Chance komplett in eine neue Rolle wie Recruiting-Manager nachzurücken (da es diese Position meist nicht gibt). Durch einen Job als Assistentin+ ist es jedoch leichter den nächsten Karrieresprung in einem anderen Unternehmen zu machen, da Recruiter großen Wert auf erste Berührungspunkte mit einer Materie legen. Eine Assistenz + mit Recruiting Erfahrung hat somit gute Karten in einem anderen Unternehmens als Recruiting Managerin zu starten.

Gehalt

Die Gehälter können auf jeden Fall auf dem Niveau der Großkanzleien und Big 4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein, sind aber im Regelfall etwas darunter. Einstiegsgehälter im Sekretariat liegen oft bei 36.000 bis 45.000 EUR, Steigerungen auf über 60.000 sind jedoch selten. Die Arbeitsumstände in Boutiquen sind oft viel besser, weshalb die manchmal etwas geringeren Gehälter damit mehr als kompensiert werden.

Besonderheiten

Wichtig ist bei einem Wechsel darauf zu achten, ob es auch wirklich eine Boutique ist. Es wäre ärgerlich sich von Hochglanzfotos auf der Homepage blenden zu lassen und dann in einer nicht angesehenen Butze ohne Marktbekanntheit zu starten. Klein und ohne Renomme muss nicht schlecht sein – ist aber eben auch keine Boutique wie in diesem Artikel beschrieben.

moritzblog_redakteur

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